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Mit Papas Junge in die Welt hinaus

Eine Online-Ausstellung zum Tag für die Literatur in Hessen

Henny Koch ist eine unter der Jungmädchenwelt sehr beliebte Schriftstellerin. Sie schreibt flott und frisch und bei aller recht ausgelassenen Lebenslust zeichnet sie auch ernste Linien von Lebensweisheit und echter Liebe in ihre Bilder.

Verlagsanzeige

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Herzlich Willkommen!

Zum 100. Todestag der Jugendbuchautorin und Übersetzerin Henny Koch laden wir hier zu einer multimedialen Annäherung an ihr Leben und Werk ein.

Henny Koch war eine gefeierte Autorin der Kaiserzeit. 1854 in Alsfeld geboren, lebte sie lange in Jugenheim an der Bergstraße, wo sie 1925 starb.

Ihr Bestseller »Papas Junge« erlebte 94 Auflagen, wurde in sieben Sprachen übersetzt und in Italien 1943 sogar verfilmt.

Die Online-Präsentation bietet die Möglichkeit, in die Welt von Henny Koch einzutauchen und den Zauber ihrer Geschichten interaktiv zu entdecken.



Stationen in Henny Kochs Leben

Am 22. September 1854 kommt Henriette Koch als erstes Kind des Kaufmanns Carl August Koch und seiner Frau Amalie in Alsfeld zur Welt. Carl August Koch entstammt einer Leinenfabrikantenfamilie, die 1750 in Alsfeld ihr Geschäft gegründet hat.



In der Mitte des 19. Jahrhundert – etwa zur Zeit von Henriettes Geburt – führen Erbstreitigkeiten zum Ende der Koch‘schen Leinenfabrikation.



Carl August Koch muss nun für seine kleine Familie eine neue Lebensperspektive finden.

So kommt Henriette, erst vier Wochen alt, zu ihren Großeltern nach Frankfurt am Main, in das Elternhaus ihrer Mutter, deren Vater als Stadtgerichtssekretär einen höheren Posten in der städtischen Verwaltung innehat, und verlebt dort die ersten Kindertage.

Erst zu ihrem Schulbeginn kehrt Henriette zu ihren Eltern zurück, die in der Zwischenzeit zwei weitere Kinder (1856 Friedrich Ferdinand und 1857 Johann Carl) bekommen und mit einem Weinhandel ein neues Leben für die Familie in Büdesheim bei Bingen aufgebaut haben.



Als die Dorfschule nicht mehr ausreichte für unseren Bildungsdrang – oder den der Eltern in unserem Interesse, marschierten wir allmorgendlich am Naheufer her in's benachbarte Bingen. Das waren goldene Tage. Viel Freunde & Freundinnen, fröhliches Lernen, frohes Genießen. (Henny Koch am 16. Mai 1914 an Franz Brümmer)

Als Henriette 12 Jahre alt ist, vergrößert sich die Familie noch einmal. Die Schwester Helene kommt 1866 zur Welt.



Der Vater verändert sich beruflich, steigt um 1870 in Stuttgart in ein Mode- und Manufakturwaren-Geschäft ein. Für die Familie bedeutet das einen Umzug aus einer ländlichen Gegend in die große Stadt.

Henny ist mit 15/16 Jahren mitten im sogenannten “Backfischalter”.



Und dann kam die Großstadt. Vater trat in Stuttgart in ein Geschäft ein. Seine Familie folgte. Landkinder in der Stadt – Vögel im Bauer! Aber man gewöhnt sich, wir auch. Und dann liebten wir Stuttgart, die Wunderschöne. Dort habe ich dann auch meine Jugendtage verbracht, in Lust & Leid. (Henny Koch am 16. Mai 1914 an Franz Brümmer)

1870/71: Deutsch-Französischer Krieg 1871: Gründung des Deutschen Reiches Mit dem ersten deutschen Kaiser Wilhelm I. beginnt die Deutsche Kaiserzeit, die sich 1888 mit dem Regierungsantritt Kaiser Wilhelms II. fortsetzt.

Dann machten es die Verhältnisse nötig, daß ich mich nach einer Tätigkeit umsah. Eine Tante war durch Heirat der Tochter einsam geworden, bei ihr fand ich ein Heim, einen Zweck. So hat mich mein Geschick hierher nach Jugenheim verschlagen, wo meine Tante ein schönes Landhaus besaß. (Henny Koch am 16. Mai 1914 an Franz Brümmer)

1881 zieht Henny Koch als als Gesellschafterin ihrer Tante Sophie Ernst, einer Schwester der Mutter, nach Jugenheim.



Die verwitwete Sophie Ernst hat zuvor bei ihrer Tochter Helene und deren Ehemann Edgar Stanton, einem amerikanischen Konsul, gelebt. Als dieser nach St. Petersburg berufen wird, will die Mutter in Deutschland bleiben.

Henny Kochs Leben in Jugenheim

Warum hat Henny Kochs Tante gerade Jugenheim an der Bergstraße als Wohnort ausgesucht?

Hessische Bergstraße

Bergstrasse, so heißt die durch mildes Klima, sowie durch hervorragende landschaftliche Schönheit ausgezeichnete Gegend, die sich längs der vorderen Odenwaldberge zwischen Darmstadt und Heidelberg erstreckt. Obwohl dieses Fleckchen Erde arm an Mineralquellen ist, so sind seine erfrischenden Wald- ·und Luftbäder umso segensreicher, und umso wohltuender wirken die mannigfachen, landschaftlichen Bilder auf das Gemütsleben des Menschen.

Wer sich also von den Sorgen und Anstrengungen des geschäftlichen Lebens in Wahrheit ausruhen will, wer die lungenvergiftende Luft der Grosstädte und Fabriksgegenden flieht, um seinem Körper neue Lebenskraft zuzuführen, um Leib und Seele zu erfrischen am unversiegbaren, immer lebendig sprudelnden Jungborn der freien Gottesnatur, der findet in Jugenheim, was er sucht: Eine an landschaftlichen Naturschönheiten reiche Gegend, weit ins Gebirg führende, bequeme Waldspaziergänge, eine reine, ozonreiche Luft und vor allen Dingen die für Nerven und Gemüt so ungemein wohltuende Ruhe und feierliche Stille.

Deutsch-Englischer-Reise-Courier, 1904

Tod des Vaters

1882 stirbt der Vater im Alter von 57 Jahren, und Henny verbringt die folgenden Jahre mit ihrer Tante im zu der Zeit beliebten Luftkurort und geht mit ihr auf Reisen.



Suche nach einer Beschäftigung

Ab 1890 findet Henny eine Beschäftigung und Erwerbsmöglichkeit im Übersetzen zeitgenössischer amerikanischer Literatur.

Übersetzungen

Emily Huntington Miller (1833-1913)

What Tommy did (1885) Was Buwi alles anstellte (1890) Übersetzung: Henny Koch

Mark Twain (1835-1910)

Adventures of Huckleberry Finn (1884) Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (1890) Übersetzung: Henny Koch

Mary Eleanor Wilkins Freeman (1852-1930)

A Humble Romance and Other Stories (1887) Ein bescheidener Roman und andere Erzählungen (1893) Übersetzung: Henny Koch

Amélie Rives Troubetzkoy (1863-1945)

The Quick or the Dead? A Study (1888) Der Lebende oder der Tote? (1890) Übersetzung: Henny Koch

Tod der Tante

1895 stirbt die Tante. Henny findet danach mit ihrer Mutter Amalie ein neues Zuhause in der "Klause", Zwingenberger Str. 10.

Die Klause

Das Haus Die Klause beschreibt Henny Kochs Jugenheimer Schriftstellerkollegin Helene Christaller in einem Nachruf in Das Kränzchen 1925 so:

Am Ende von Jugenheim, an der schönen Bergstraße, steht ein rosenumranktes Häuschen, „Die Klause“ genannt. Mitten in blühenden Wiesen und Gärten, mit dem Blick auf das Gebirge liegt es da, und wenn man durch den sorgfältig gepflegten Blumengarten eintritt, grüßen den Besucher von der Hauswand die Worte: In kleiner Klause zufriedener Sinn, So tausch’ ich mit keiner Königin.

Anfang April 2002 wird "Die Klause" als Kulturdenkmal in die Denkmaltopographie des Landkreises Darmstadt-Dieburg aufgenommen.

Zuerst gab mir der Wunsch, der Zwang nach Erwerb die Feder in die Hand, ich versuchte zu übersetzen. Bald aber genügte mir das nicht, ich begann zu fabulieren & siehe da, meinem jungen Publikum gefiel, was ich zu sagen hatte. Es wuchs mir die Lust, der Mut, die Kraft, ich war ein glücklicher Mensch in meiner Arbeit. Und ich habe viel Freundliches drüber hören dürfen, sie ist mir ein Gnadengeschenk, für das ich nicht dankbar genug sein kann. Sie hat mir auch ein liebes eigenes kleines Nest gebaut, meine "Klauß", in der ich mit der Mutter lange, frohe, zufriedene Jahre haben durfte.

am 16.05.1914 an Franz Brümmer

Weiterentwicklung vom Übersetzen zum freien Bearbeiten

1899 veröffentlicht Henny eine autorisierte, freie Bearbeitung der Erzählung für Mädchen Captain January von Laura E. Richards unter dem Titel Vater Jansens Sonnenschein.

Eigene Veröffentlichungen

Ab 1901 entwickelt sich Henny Koch zu einer fleißigen Schriftstellerin. Ihre ersten eigenen Erzählungen für junge Mädchen bietet sie verschiedenen Verlagen an.

Gleich zu Beginn der Karriere erscheint im Jahre 1901 Mein Sonnenstrahl im Verlag K. Thienemanns.

Außerdem veröffentlicht sie ab Herbst 1901 in Das Kränzchen, der illustrierten Zeitung der Union Deutsche Verlagsgesellschaft, ihr später erfolgreichstes Werk Papas Junge, als Fortsetzungsgeschichte.

Das Kränzchen

Die erfolgreichen Jahre als Jugendbuchautorin

Der Durchbruch in ihrer schriftstellerischen Arbeit kommt durch die Zusammenarbeit mit der Union Deutsche Verlagsgesellschaft.

Die meisten ihrer Erzählungen erscheinen fortan zunächst als Fortsetzungsgeschichten im Kränzchen und später auch in Buchform, unter anderem in der Kränzchenbibliothek.

Henny Kochs Vielfalt in den Themen ihrer Bücher

In der folgenden Bildergalerie sind alle Titel zu sehen.

Ein frischer, herzenswarmer Ton zeichnet ihre Erzählungen aus, und stets leitete sie das Bestreben, ihren jungen Leserinnen nicht bloß fesselnde Unterhaltung zu bieten, sondern auch ihr Gemütsleben zu vertiefen. Von vielen Kritikern wurde der innere Wert ihrer Schriften hervorgehoben. Nicht geringere Befriedigung als der äußere Erfolg bereiteten ihr zahlreiche Briefe, die jahraus, jahrein aus allen Gegenden unseres Vaterlandes von begeisterten, ihr persönlich unbekannten Leserinnen an sie gerichtet wurden, und deren Inhalt auf das lebendigste bewies, welch großer Beliebtheit sie sich erfreute. In der Hauptzeit ihres schriftstellerischen Schaffens – bis zum Kriege – wurde jahrzehntelang meist ihr Name genannt, wenn man junge Mädchen nach ihrer Lieblingsschriftstellerin fragte.

Bildergalerie der Werke von Henny Koch > > > > >

1899: Vater Jansens's Sonnenschein. Erzählung für Mädchen. Autorisierte, freie Bearbeitung von Laura E. Richards Captain January

1901: Mein Sonnenstrahl

1901/1902 Papas Junge als Fortsetzungsgeschichte im Kränzchen. Lustige Streiche der wilden Friedel Polten.

1902: Das Mägdlein aus der Fremde. Die Erlebnisse eines in Kuba aufgewachsenen Mädchens, das nach dem Tode der Eltern zur Großmutter nach Hamburg kommt.

1904: Rose-Maries Weg zum Glück. Fortsetzung von Das Mägdlein aus der Fremde.

1905: Papas Junge. Lustige Streiche der wilden Friedel Polten.

1905: Die Traut. In Pension, auf Reisen, daheim, ihre Abenteuer, ihr Beruf, ihre Verlobung und Hochzeit.

1906: Mütterchen Sylvia. Leiden und Freuden einer tapferen Halbwaise als Hausmütterchen.

1907: Allerlei Lustiges für unsere Mädels und Buben. Eine Reihe munterer Episoden aus Jugendtagen.

1907: Irrwisch. Irrwischs übermütige Streiche und schlimme Sorgentage

1908: Die ins Leben lachen. Vier fröhliche und ernste Geschichten aus dem Leben der Siebzehnjährigen.

1908: Aus großer Zeit. Eine Erzählung aus der Zeit des Krieges 1870/71 für junge Mädchen.

1909: Friedel Polten und ihre Rangen. Fortsetzung von Papas Junge. Humorvoller Bericht über das weitere Ergehen Friedel Poltens als Frau.

1910: Kleine Geschichten für kleine Leute. (Was Mäuschen sich zum Geburtstag wünschte, Prinzessin Lilie, Leni, die Leseratze oder Bestrafte Schläue, Der Schutzengel, Wie Gretel Stiefmütterchen fand, Die Weihnachtspost, Bubi und Mädi als Lebensretter, Das Märchen von den Himmelsschlüsselein u.a.)

1911: Evchen der Eigensinn. Trotz-Evchens Flucht aus dem Vaterhaus und ihr Wiederheimfinden.

1911: Das Komteßchen. Eine Erzählung für junge Mädchen rund um die Themen Ahnenstolz, Klassenhass, Liebe und Liebesverzicht, Konflikt zwischen Pflichten und Rechten - trotz aller Romantik ein Stück wahres, reiches Leben.

1912: Im Lande der Blumen. Wunderbare Erlebnisse einer jungen Schwäbin in Japan.

1914: Ein tapferes Mädchen. Die Erlebnisse eines Mädchens auf Amerikareise nach einem familiären Schicksalsschlag.

1916: Die Vollrads in Südwest. Die Erlebnisse der Familie Vollrad in der damaligen deutschen Kolonie in Südwestafrika.

1916: Die Patentochter des alten Fritz. Eine Erzählung für junge Mädchen.

1916: Wildes Lorle. Erlebnisse einer Gruppe junger Menschenkinder als Wandervögel und mit Ausbruch des 1. Weltkriegs als Soldaten und Mädchen an der "Heimatfront", vor dem Hintergrund der Region um Darmstadt und Odenwald.

1917: Die verborgene Handschrift, zunächst unter dem Titel Bella Venezia erschienen. Bilder von Venedigs Pracht und Herrlichkeit in vergangenen Tagen.

1917: Aus sonnigen Tagen. Kurze Geschichten aus sorglos-fröhlicher Kinderzeit für Mädchen im Alter von 9-14 Jahren. Lustiges, Heiteres und Ernstes aus Schule und Haus. (Lottes Weihnachtswunsch, Zeppeline, Ein Tag von Vorbedeutung, Klärchen im Bohnenkaffee. Hoheit kommen, Die vom Sonnenbund u.a. )

1919: Klein Großchen. 2. Fortsetzung von Papas Junge. Friedel Polten als Mittelpunkt einer fröhlichen Enkelschar.

1921: Glory. Eine lustige deutsche Mädelgeschichte. Erlebnisse eines deutschen Mädchens in Amerika.

1922: Von der Lach-Els und anderen. Lichte Mädchengeschichten aus trüber Zeit.

1922: Jungfer Ursel. Eine Erzählung aus dem 30jährigen Krieg. Erlebnisse eines Göttinger Mädchens im Dreißigjährigen Krieg.

1924: Das Heiterlein. Die Geschichte eines sonnigen Menschenkindes.

1925: Hochgeborene. Vier Erzählungen. Lebensskizzen vier junger Mädchen. Drei Tage aus Prinzeßchens Leben. Sonne Rynken und ihr Garten. Mutter Glucke und ihr Entlein. Heiderose.

1930: Wir Fünf. Wie Ilse zum Wandervogel bekehrt wurde. Zwei Erzählungen für junge Mädchen.

Es sind schließlich 21 große und dazu noch zahlreiche kleine Erzählungen, die in 7 Sammelbänden erscheinen.

Südhessische literarische Verbindungen

In den 44 Jahren in Jugenheim baut Henny Koch sich natürlich einen Freundeskreis auf.

Südhessische literarische Verbindungen

Erstaunlich ist, dass in diesem kleinen Ort gleich zwei Schriftstellerkollegen dazu gehören. Neben Henny Koch als Mädchenbuchautorin leben dort die heute zumindest noch regional bekannte Romanautorin Helene Christaller und Reinhard Roehle als Autor von Knabenbüchern. Der Altersunterschied von ungefähr 20 Jahren macht offensichtlich nichts aus.

Beide schreiben später Nachrufe, in denen einiges über den Menschen Henny Koch zu erfahren ist.

Außerdem taucht Henny Koch auch in Helene Christallers autobiographischem Buch Als Mutter ein Kind war als ‚Fräulein Henny’ auf:

„Da möchte ich dabei sein, wenn der Hund beschert wird“, sagte Fräulein Henny. „Wenn Kinderaugen so leuchten im Glanz der Kerzen, das ist das Schönste, was es gibt.“ Sie ist ein bissel poetisch, was sich nur gehört, da sie ja Schriftstellerin ist.

Henny Koch korrespondiert zudem mit dem Bensheimer Dichter Karl Ernst Knodt, dem sogenannten "Waldpfarrer", der ungefähr in ihrem Alter ist und besucht ihn öfters.

Das Jahr 1914

Das Jahr 1914 bringt viele Veränderungen - für Henny Koch persönlich, als am 10. April ihre Mutter stirbt und für die Welt mit dem Beginn des 1. Weltkriegs Ende Juli 1914.

Das Kriegsende

Am 11. November 1918 ist der Krieg zu Ende, ein Krieg, in dem viele Millionen Soldaten und Zivilisten ihr Leben verloren haben.

Folgen des 1. Weltkriegs

Er hinterlässt eine Welt im Wandel, mit politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umbrüchen, die das 20. Jahrhundert prägen. Die Monarchien brechen zusammen, das Deutsche Reich wird zur Weimarer Republik. Es kommt zu einer Inflation. Armut, Hungersnot und gesundheitliche Folgen prägen den Alltag vieler Menschen.

Henny Kochs letzte Lebensjahre

Inflation

1923 erlebt die deutsche Bevölkerung den Höhepunkt der Inflation, die besonders seit 1921 spürbar ist. Im November wird die alte Währung im Verhältnis 1 : 1 000 000 000 000 (1 Billion) abgewertet.

Für die Buchausgabe von Papas Junge zum Beispiel bezahlt man anfangs 4,50 Mk, nach dem 1. Weltkrieg 7,50 Mk, 1920 dann schon 18 Mk, und in der Folge steigert sich der Preis über die „Schlüsselzahl“ des deutschen Buchhandels im August 1923 von 300.000 auf 9 Million Mk. Im November ist der Höchstpreis dann 4,95 Billionen Mk.

In dieser Klause ist in den letzten Monaten ein schwerer Kampf mit Krankheit und Tod ausgefochten worden, und daß er so ausging, lag vielleicht daran, daß die Kämpferin nicht mehr gern lebte; sie war lebensmüde und lebenssatt. […]

Als ich sie an ihrem letzten Krankenlager besuchte und ihr ein Körbchen frisch gepflückter Veilchen brachte, sprach sie mit müder Stimme davon, daß das Leben keine Freuden mehr für sie habe; es sei nicht der Mühe wert, gesund zu werden. „Aber haben Sie nicht noch Freuden zu vergeben?“ fragte ich sie. „Denken Sie an die Hunderttausende von jungen Menschen, deren Augen leuchten, wenn sie ein Buch von Henny Koch auf dem Weihnachtstisch finden!“ Da ging ein heller Schein über ihr verfallenes Gesicht. „Ja, das ist noch das einzige - Freude geben,“ flüsterte sie matt.

Wir wollen sie nicht vergessen, die so vielen Freude gab in ihrem Leben und arm an Freude von dannen ging, beladen mit dem Los der geistigen Persönlichkeit: ungeheure Forderungen an das Dasein zu stellen.

Helene Christaller

Durch die Folgen des 1. Weltkriegs sind Henny Kochs letzte Lebensjahre mit Kummer und Sorge verbunden.

Wirtschaftlich wird es selbst ihr als Erfolgsautorin nicht gut gegangen sein, ihr junges Lesepublikum hat sich durch die Erlebnisse der letzten Jahre verändert, die Überzeugungen aus dem Kaiserreich mit Patriotismus, Nationalstolz und Sicherheit sind ins Wanken geraten. Gesundheitlich geht es ihr auch nicht gut.

Henny Koch stirbt 70jährig am Samstag, 13. Juni 1925, in Jugenheim.

Neuauflagen nach Hennys Tod

Henny Kochs Bücher erscheinen weiterhin, Ende der 1920er Jahre schenkt der Verlag ihnen eine neue moderne Ausstattung.

Von Papas Junge sind in Deutschland bis 1940 Ausgaben nachweisbar, das Buch erlebt sogar die 94. Auflage.

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Auflagen von "Papas Junge" im deutsch-sprachigen Raum

Ausgaben im Ausland

Zu Henny Koch Lebzeiten erscheinen schon Ausgaben von Papas Junge in Italien (1905), in den Niederlanden (1907), in Norwegen (1911) und in Ungarn (1925). Nach ihrem Tod folgen noch Spanien (1929) und Polen (1930).

Nach dem 2. Weltkrieg

Nach dem 2. Weltkrieg gibt es leider keine Nachkommen mehr, die sich um eine deutsche Neuauflage von Papas Junge, einem Klassikers der Mädchenliteratur bemühen können, wie es z.B. beim Trotzkopf von Emmy von Rhoden oder der Nesthäkchen-Reihe von Else Ury der Fall ist.

Im Ausland allerdings werden noch Ausgaben von Papas Junge verlegt – in Argentinien (1949), und Neuausgaben in Spanien und Italien – sogar bis in die 1970er Jahre.

Beispiele für in den letzten Jahrzehnten erschienenen Backfischbuchklassiker

Henny Kochs 100. Todestag ist nun auch der Anlass der Herausgabe einer kommentierten Neuausgabe von Papas Junge.



Der Bestseller "Papas Junge"

Lustige Streiche der wilden Friedel Polten

Lassen wir zeitgenössische Stimmen sprechen und uns das Buch vorstellen:

Von den anderen Neuheiten des diesjährigen Weihnachtsmarktes wollen wir zunächst eines Buches gedenken, das eine der früheren Erzählungen des Kränzchen enthält: Papas Junge von Henny Koch (Preis geb. Mk. 4.50). Diese drollige, sehr belustigende Geschichte berichtet, wie es der Tochter eines Gutsbesitzers in ihren Backfischjahren erging, nachdem sie zeitlebens der mütterlichen Fürsorge entbehren mußte und so, im steten Umgange mit dem herzlich geliebten, aber ziemlich biderben Vater, erzieherisch genommen mehr Junge als Mädel geworden war. Als dann der Fehler erkannt wurde und verbessert werden sollte, ergaben sich ergötzliche Verwicklungen, die sich aber bei der gesunden Veranlagung des Backfisches glücklich ebnen und lösen ließen. Allen Freundinnen einer launigen, humorvollen Lektüre sei dieser Band warm empfohlen. (Das Kränzchen, Band 18, 1905/06)
… Flotter Stil, prächtige Charakterbilder, neckischer Humor wie sinniger Ernst machen das Buch auch inhaltlich zu einer für die reifere Jugend geeigneten Lektüre. (Tägliche Rundschau, Berlin)
Weiter einige anmutige Gaben für junge Mädchen. Bereits in dritter Auflage erscheint Papas Junge, eine Erzählung für junge Mädchen von Henny Koch (Preis 4,50 M). Diese allerliebste Mädchengeschichte, die die Schicksale der übermütigen Friedel, ihre Taten, ihre Wandelung und Läuterung anregend und spannend schildert, wurde zuerst in der Zeitschrift Kränzchen abgedruckt und fand schon dort lebhaften Anklang, so daß sich der Verlag dann zu dieser höchst eleganten Sonderausgabe entschloß, die durch ein überaus flottes Umschlagbild und viele anmutige Illustrationen geschmückt ist. Heranwachsenden Mädchen wird das Buch viel Freude gewähren. (Norddeutsche allgemeine Zeitung, 26.11.1905)
Eine heitere, lebensfrohe und doch wieder ernste Erzählung für junge Mädchen. (Innviertler Volkszeitung, 2.12.1937)







Die Personen

»Friedel Polten heiß' ich,« sagte sie mit ihrer hellen klingenden Stimme. »Papas Junge bin ich, Tante Lenchens Schmerzenskind war ich und soll hier bei euch nach ihrem Herzen zurechtgestutzt werden. So 'n richtiges, zimpferliches Mädel aber lass ich nicht aus mir machen, um keinen Preis. Euch aber will ich ein guter Kamerad sein, solange ich hier bin und –«

In Henny Kochs Erzählung kommen viele in der Gesellschaft der Kaiserzeit typischen Figuren vor:

  • Friedel Polten als die unangepasste, rebellische Tochter
  • ihre Schwester als das gute Vorbild
  • der Gutsherr als Familienoberhaupt
  • die unverheiratete Tante als Mutterersatz
  • der junge Geschäftsmann im Ausland
  • der reiche Sohn auf Bildungsreisen
  • die englische Erzieherin
  • der französische Tanzlehrer
  • im Mädchenpensionat: die Vorsteherin "Tante", das Fräulein Lehrerin und der Professor
  • die Mitschülerinnen und Freundinnen, die alle möglichen Charaktere abbilden
  • das meist Dialekt sprechende Personal

Friedel Polten, die Hauptperson, steht für den unangepassten Backfisch. Hier ist die Schlüsselszene am Anfang der Erzählung zu sehen. Friedel rutscht das Treppengeländer herunter, um schnell zur auf sie wartenden Hochzeitsgesellschaft zu kommen. Diese Szene bildet häufig das Motiv für Einbandillustrationen der Ausgaben von Papas Junge.

Friedel Polten bei der Hochzeit ihrer Schwester Lisa, die für das angepasste Vorbild steht, für die brave, blonde Tochter, die standesgemäß heiratet, und zwar Werner Horst, der als Kaufmann mit einem eigenen überseeischen Exportgeschäft für die jungen deutschen Geschäftsmänner steht, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert ihr Geschäft im Ausland aufbauen, vorzugsweise in Großbritannien, da das als politisch und rechtlich stabile Umgebung gilt.

Friedel Polten mit ihrer Tante Lene, die für das unverheiratete Familienmitglied steht, Friedels Mutterersatz, eine alte Dame - streng, aber mit einem guten Herzen - und mit ihrer englischen Erzieherin Miss Miller, die für die um die Jahrhundertwende häufig vorkommenden ausländischen Erzieherinnen steht, humor- und verständnisvoll, die selbst als einzige Schwester von sechs Brüdern als "7. Junge" aufgewachsen ist.

Eine Szene im Pensionat, im Hintergrund die Vorsteherin, die "Tante" genannt wird, und ein wilder Haufen junger Mädchen, Friedels Freundinnen im Pensionat, die alle Backfischtypen, d.h. alle möglichen Charaktere abbilden, die man auch heute noch aus Internatsgeschichten kennt: die Träumerin, das Genie, die Diva, die Beliebte, der Klassenclown usw.

Im Pensionat gibt es neben der Lehrerin Fräulein Lange auch einen Professor, den Literaturlehrer.

Zu Hause bringt die Köchin Babette, auch Babetteken genannt, Friedel das Kochen und Backen bei. Sie steht für das Personal, das um die Jahrhundertwende zu einem bürgerlichen Haushalt gehörte. Typisch für das Personal ist bei Henny Koch der Dialekt.



»Nee, so schnell schieße die Preiße nit. Mit 'm Kuche wird nit angefange.«



»Freileinche, Freileinche, unser liewer Herrgott im Himmel schenk' Ihne so viel Glück, als er nur zusamme bringe kann for ein Menschekind allein.«

Fräulein Hummel, Lehrerin bei den Nähstudien, steht für die vielen unverheirateten Lehrerinnen

Friedel Polten beim Ball zu Ehren ihres 16. Geburtstages



Gesellschaftliche Anlässe wie Bälle, Teegesellschaften und Familienfeiern waren wichtige Gelegenheiten, um soziale Kontakte zu pflegen und den eigenen Status zu zeigen. Anstand und Etikette spielten eine große Rolle.

Friedel Polten mit ihrer Freundin Lilly Metzler, der Tochter des Regierungsrats Metzler, die für den passenden, standesgemäßen Umgang eines Backfischs in bürgerlichen Kreisen steht.

Friedel Polten trifft im Urlaub in der Schweiz Klaus von Rödern wieder, der ihr Tischherr bei Lisas Hochzeit gewesen ist. Herr von Rödern steht für den Typ "reicher Sohn", der Bildungsreisen in aller Herren Länder unternimmt, bevor er sich auf einem Gutshof niederlässt und eine Familie gründet.

Friedel Polten mit ihrem Papa Konrad Polten

Er ist ein Gutsherr und das Familienoberhaupt. Wenn er auch in seiner Sprache viele militärische Ausdrücke verwendet und zuweilen laut wird, so ist er doch Friedels "Vaterherz". Man geht in der Familie Polten sehr liebevoll miteinander um, umarmt und drückt sich. Das sonst um die Jahrhundertwende meist distanziertere Verhältnis zwischen Eltern und Kindern gibt es bei Poltens nicht.

Erzählweise

Henny Kochs Erzählweise ist von einem leichten, humorvollen Ton geprägt.

Sie verwendet viel direkte Rede. Durch detailreiche Beschreibungen stellt sie die Umgebung und die Gedanken und Gefühle der Charaktere lebendig dar. Dies trägt dazu bei, dass die Leser tief in die Geschichte eintauchen können.

Henny Koch will Geschichten erzählen und die Leser dabei unterhalten und anrühren.

Ja, wir Leser freuen uns mit Friedel, lachen über ihre Streiche, bewundern ihre Unbekümmertheit und Spontaneität, möchten auch so wild, mutig und ein bisschen frech sein, wir sind mit Friedel traurig beim Abschied von Lisa und haben – wie sie – einen dicken Kloß im Hals.

Wir sind mit Tante Lenchen, Miss Miller und Fräulein Lange empört, aber auch wieder amüsiert, poltern mit Konrad Polten und finden Friedel eigentlich gerade recht – genau so, wie sie ist.

Wir sind wie Klaus von Rödern fasziniert von dieser wilden Friedel mit dem großen Herz.

Die ausländischen Ausgaben

Papas Junge ist so erfolgreich, dass die Rechte auch ins Ausland verkauft werden.

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Hier geht's zu einer Sammlung in- und ausländischer Verlagsanzeigen und Rezensionen.

Die Ausgaben von Papas Junge

Ein bunter Bilderbogen von der ersten Veröffentlichung in der Mädchen-Zeitschrift Das Kränzchen bis zu den Ausgaben in Italien, den Niederlanden, Norwegen, Ungarn, Spanien, Polen und Argentinien.

1901 Papas Junge als Fortsetzungsgeschichte in 28 Folgen in der illustrierten Mädchen-Zeitung Das Kränzchen (Ill.: Kunstmaler Adolf Wald (1868-1940))

1905 Buch Papas Junge (D)

1905 Il birichino di papà in Italien (Ü: Maria Campanari, Ill.: Edmondo Abbo della Pina (geb. 1875))

1907 Papas Jongen in den Niederlanden (Ü: Catharina A. Dermoût-Visser, Ill.: Grafiker Andre Vlaanderen (1881-1955))

1907

Papa's Jongen in den Niederlanden (Ü: Catharina A. Dermoût-Visser, Ill.: Grafiker Andre Vlaanderen (1881-1955))

1911 Frida-Gutten in Norwegen (Ü: Sara Wiborg)

1925 Bébi in Ungarn (Ü: Margit Gáspárné Dávid, Ill.: Richard Geiger (1870-1945))

1920er

deutsche Neuausgabe Papas Junge (Ill: Gustav Traub (1885-1955))

1929 El chico de papá in Spanien (Ü: Theodor Scheppelmann)

1930 Zuch dziewczyna 1. Teil in Polen (Ü: Henryka Felkowska) als „Anna Koch“

1931 Franka 2. Teil in Polen (Ü: Leonia Szczerska) als „Anna Koch“

1940 Bébi in Ungarn (Ü: Margit Gáspárné Dávid, Ill.: Jenő Pályi (1900-1953))



1940

letzte deutsche Buchausgabe Papas Junge (94. Auflage, Ill.: ohne)

1946

italienische Neuausgabe (NÜ: Augusto Togarich)

1948

italienische Neuausgabe (Ü: Maria Campanari, Ill.: Illustrator, Cartoonist und Maler Giorgio de Gaspari (1927-2012))

1949 Frida, el picarón de papá in Argentinien (Ü: Aida G. Barbagelata, Ill.:)

1953

spanische Neuausgabe (NÜ: Jonasa Lalock, Ill.: Illustratorin Mercedes García Valiño, die für ihre Papierpuppen bekannt ist)

1970

letzte italienische Ausgabe (Ü: Maria Campanari)

So heißt "Papas Junge" Friedel Polten in andern Ländern!

2025

kommentierte Neuauflage von Papas Junge zum 100. Todestag

Die Illustrationen

Vergleich einer deutschen und einer niederländischen Illustration: "Sag mal, Babetteken, kocht die Milch?"

Die Darstellung von Papas Junge Friedel Polten wird in Neuausgaben modernisiert und in ausländischen Ausgaben teilweise angepasst, was Kleidung, Mode, Möbel und Körperhaltung betrifft, z. B. kann bei den folgenden Illustrationen beobachtet werden:

  • dass Friedel Polten in den Illustrationen der ersten Ausgaben „würdevoll“ seitlich und in späteren Ausgaben „unschicklich“ rittlings das Treppengeländer herunterrutscht



Vergleich der verschiedenen Illustrationen: "Eine schlanke, weißgekleidete Mädchengestalt rutschte blitzschnell nieder auf dem Treppengeländer."

Deutsche Erstausgabe

Italienische Ausgabe

Norwegische Ausgabe

Polnische Ausgabe

Ungarische Ausgabe

Ungarische Ausgabe

Italienische Ausgabe

  • dass sich die Rocklänge von bodenlang zur praktischeren kürzeren Form verändert
  • dass auch die Ärmel kürzer werden und nicht mehr bis zum Handgelenk reichen
  • dass aus den langen, hochgesteckten oder zu Zöpfen geflochtenen Haaren kürzere, kinnlange Frisuren werden

Vergleich der deutschen Illustrationen der Originalausgabe und der Neuausgaben aus den 1920er Jahren: "Behutsam ließ sich Herr von Rödern neben ihr nieder."

Italienische Ausgabe

Deutsche Neuausgabe 1920er Jahre

Italienische Ausgabe

Späte Italienische Ausgabe

Spanische Ausgabe

  • dass man das Haus nicht ohne Hut verlässt, dass Hüte erst groß und verziert, später als Glocken- oder Topfhüte mit schmalem Rand dargestellt werden oder dass in einigen Szenen gar keine Hüte mehr getragen werden



Vergleich der verschiedenen Illustrationen: "Eine nach der andern kletterte hinunter in den Garten."

Italienische Ausgabe

Ungarische Ausgabe

Ungarische Ausgabe

Spanische Ausgabe

Il Birichino di Papà

Die italienische Verfilmung
Sie hören die Filmmusik zu "Il Birichino di Papà" von Nino Rota

Giovanni „Nino“ Rota (1911-1979) war ein italienischer Komponist, der vor allem für seine über 150 Filmmusiken international bekannt wurde. Während seiner langen Karriere arbeitete er mit zahlreichen international renommierten Regisseuren zusammen, darunter Federico Fellini (La Strada, La Dolce Vita) und Francis Ford Coppola (Der Pate). Für die Filmmusik für Der Pate – Teil II erhielt er 1975 den Oscar.

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Henny Kochs Erzählung Papas Junge war in Italien so bekannt und beliebt, dass sie dort 1942 sogar als „Il Birichino di Papà“ verfilmt wurde.

Die Handlung

Die Geschichte dreht sich um Nicoletta, die jüngste Tochter des wohlhabenden Leopoldo Giovannini.

Nicoletta ist sehr verwöhnt und benimmt sich wie ein Junge, weshalb ihr Vater sie “Nicola” nennt.

Während der Hochzeit ihrer älteren Schwester Livia gerät Nicoletta in Konflikt mit der zukünftigen Schwiegermutter ihrer Schwester, der strengen Marchesa Della Bella. Diese besteht darauf, dass Nicoletta in ein strenges Internat geschickt wird, das sie leitet.

Im Internat sorgt Nicoletta weiterhin für Unruhe und wird oft bestraft. Sie schafft es jedoch, heimlich mit ihrer Schwester zu kommunizieren und entdeckt dabei die Untreue von Livias Ehemann. Schließlich fliehen Nicoletta und Livia aus dem Internat und dem ehelichen Zuhause und suchen Zuflucht bei einem Anwalt.

Am Ende kommt es zur Versöhnung zwischen Livia und ihrem Ehemann, und Nicoletta darf wieder nach Hause zurückkehren.

Ausschnitte aus "Il birichino di papà" von 1942

Freie Adaption

Grundlegende Elemente der Romanhandlung sind in der italienischen Verfilmung zu erkennen. Ansonsten handelt es sich aber doch um eine sehr freie Adaption.

Im Buch heißt „Papas Junge“ ja eigentlich Elfriede. Die Tante verwendet die Kurzform „Frida“ und der Vater „Friedel“, die männliche Form des Vornamens. Im italienischen Film wird das Prinzip übernommen, nur sagt die Tante hier „Nicoletta“, und der Vater benutzt die männliche Form „Nicola“.

Vom Charakter her ist Nicoletta genau so ein wildes Mädchen wie die Friedel im Buch. Sie ist auch sehr musikalisch und singt, was in einem Film vielleicht auch besser wirkt. Nicola wird in eine strenge Internatsschule geschickt, um zum Mädchen erzogen zu werden, was aber genau wie im Buch nicht wie gewünscht klappt. Insgesamt wird Papas Junge als ein Mädchen dargestellt, das sich nichts gefallen lässt, sich für andere einsetzt und trotz seiner Wildheit ein großes Herz hat.

Cinema dei telefoni bianchi

Il Birichino di Papà teilt man dem italienischen Filmgenre „Cinema dei telefoni bianchi“ (Weiße-Telefone-Kino) zu, das zwischen 1936 und 1943 populär war. Der Name leitet sich von den weißen Telefonen ab, die in diesen Filmen oft als Statussymbol des bürgerlichen Wohlstands zu sehen waren. Diese Filme boten eine idealisierte Darstellung des bürgerlichen Lebens und verwendeten oft kostspielige Filmsets, die den Reichtum und die Eleganz der dargestellten Welt unterstrichen

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In Italien lief der Film ab Frühjahr 1943 in den Kinos, auch in der Schweiz wurde er ab 1944 gezeigt – mit deutsch-französischen Untertiteln.

In der Kinochronik des Bieler Tagblatt wird am 24. August 1945 über »Nicoletta, der Schrecken der Familie« (Il birichino di Papa) aus dem Cinéma Apollo berichtet.

Eine neue italienische Filmkomödie, die in ihrem naiven Übermut an Scampolo erinnert und deren Heldin wie dort ein unabhängiges Mädchen ist. Scampolo war eine arme Waise, Nicoletta aber ist das angebetete Töchterchen eines reichen Vaters, der in seiner Vergötterung jede Unart seines Sprößlings willig übersieht und sich, wie auch die ganze Familie, widerspruchslos von ihm tyrannisieren läßt. Die temperamentvolle Chiaretta Gelli spielt den Racker Nicoletta mit reizender Anmut und singt sich mit ihrer entzückenden Stimme in die Herzen und Ohren des Publikums. Eine Fülle komischer Situationen, überaus frische, unbekümmerte Darstellerleistungen -- kurz — Nicoletta kommt, singt und siegt!

Später wurde Il Birichino di Papà im italienischen Fernsehen gezeigt, als Videokassette und DVD veröffentlicht und auf RaiPlay, der kostenlosen Streaming-Plattform der italienischen Rundfunkanstalt Rai zur Verfügung gestellt.



Der Backfisch

Zur Wortherkunft "Backfisch"

Zur Wortherkunft "Backfisch" für junge Mädchen zwischen etwa 14 und 17 Jahren gibt es verschiedene Theorien. Eigentlich nennt man einen kleinen, nicht ausgewachsenen Fisch Backfisch, weil er sich entweder wegen seiner Zartheit besser zum Backen (Braten) eignet als zum Kochen oder weil die kleinen Fische auf dem Schiff aussortiert und über die Back (Backbord) wieder ins Meer geworfen wurden.

Backfischalter

In der Kaiserzeit haben Mädchen meist im Alter von 14 Jahren die Schule abgeschlossen. So richtig „gesellschaftsfähig“ sind sie allerdings erst im Alter von 17 Jahren. Erst dann werden sie offiziell in die Gesellschaft eingeführt, meist mit dem Ziel, sie gut zu verheiraten. Die Zeit dazwischen wird als „Backfischalter“ bezeichnet.

Neben Schaukelpferd und Husarentschako, Wachspuppe und Steinbaukasten hat auch das Buch ein angestammtes Recht auf seinen Platz unterm Weihnachtsbaum. Das ist’s, was mir die Feder in die Hand drückt. […] Thekla v. Gumpert, die alte würdige Dame, hat noch immer ihre Verehrer, aber im ganzen zieht die junge weibliche Welt die Henny Koch vor, Agnes Hofmann, die Clement, ach, und den Trotzkopf von Emmy v. Rhoden ! Es ist ja freilich immer dieselbe Tonart in Moll: Idyllisches Forsthaus, lustiges Pensionat, Tanzstunde usw.

Alles in Rosenrot, das Leben selbst wird wesentlich grauer werden, aber vielleicht grad‘ drum! Vergrabt euch nur darin am schönen ersten Weihnachtsmorgen und knabbert Pralinees dabei! O du selige, holde Backfischzeit!

Emil Lauenstein, Buchhändler, 1913

Backfischtugenden

Beim "anständigen" und "schicklichen" Verhalten der jungen Mädchen geht es um Zurückhaltung, Bescheidenheit, Höflichkeit, Pünktlichkeit, Sorgfalt, Verlässlichkeit und Respekt gegenüber Älteren und Autoritätspersonen.

Um diese Tugenden herum sind auch die Backfischbücher aufgebaut.

So wie die Erziehung im Deutschen Kaiserreich die jungen Mädchen auf die Heirat und das Familienleben vorbereitet, so soll auch die Mädchenlektüre diese Werte unterstützen. In diesem Zusammenhang ist im 19. Jahrhundert die Backfischliteratur entstanden.

Wer kennt nicht „Backfischchens Leiden und Freuden“? Die Heldin wird fast immer als ein verzogenes, unbändiges Kind eingeführt, sie muss erzogen werden. Entweder übernimmt eine gütige, alte Tante mit silberweißem Scheitel das räudige Schäfchen zur Correction, oder es wird in eine herrliche, ideale Pension gesteckt. Nach sechs Monaten hat sich der Wildling in ein reizendes, sittsames Fräulein verwandelt, ganz dazu angetan, „ihm“, der zur rechten Zeit auftaucht, den Kopf zu verdrehen. Nach einem Jahre, resp. im letzten Kapitel, erfolgt pünktlich die Verlobung, der noch fünf oder sechs Nebenverlobungen der Freundinnen usw. vorausgingen. Umarmung, Kuss, Schluss! Das ist durchschnittlich der Hauptinhalt.

Frauenleben, Zeitschrift für Lehrerinnen und Erzieherinnen, 1902

Merkbüchlein für Backfische

Mit Ehrfurcht komme dem Alter entgegen, Antworte bescheiden, doch sei nicht verlegen.

Durch Höflichkeit wird dir manches gelingen, Höflich begegne auch dem Geringen.

Komme pünktlich, sag pünktlich Bescheid, Des Gastes Pflicht ist die Pünktlichkeit.

Nach der Art deiner Int’ressen Wird man deinen Wert bemessen.

Der Bildungsprotz ist schwer zu leiden, Wahre Bildung macht bescheiden.

Laß dich den Namen „Backfisch“ nicht kränken, Du wirst noch gerne zurück einst denken An die knospende Zeit, die frohe, oft tolle, Die strebende und erwartungsvolle.

aus dem "Kränzchen", 1901

Im 14. Band der illustrierten Mädchenzeitschrift Das Kränzchen aus dem Jahr 1901 finden sich "Merksprüche für Backfische", die die Erwartungen an das Verhalten junger Mädchen um 1900 noch einmal verdeutlichen.

Der Backfisch

Papas Junge Friedel Polten, der unangepasste Backfisch

Friedel Polten

»Erbarm dich! Was war denn da groß, sagst du?« Die alte Dame unterstrich jedes Wort doppelt und dreifach. »Was war denn da groß? Nein, es ist gar nichts, wenn ein junges sechzehnjähriges Mädchen am Treppengeländer herunterfährt wie der erste beste Junge, und das im vollen Hochzeitstaat, angesichts aller Gäste, Damen wie Herren. Es ist durchaus in der Ordnung, wenn sie sich dann nach der Trauung mitten unter die Dorfbengels mischt, mit Pistolen knallt, schreit wie besessen und sich Winkelhaken ins Kleid reißt, die sie mit Heftpflaster zuklebt. Von den ungehörigen, albernen Reden, die sie geführt haben mag, schweige ich ganz, aber Herrn v. Röderns Gesicht ließ tief blicken. Dann aber ist's durchaus, was sich gehört, dass sie direkt nach dem Essen auf die Schaukel springt, jedenfalls wie toll schaukelt, den Rock zerreißt, mit Hilfe eines Herrn den Fetzen vollends abtrennt und dann zu Rad in diesem Aufzuge der Schwester nachsetzt, deren Abschied sie gedankenlos versäumt hat. Es ist dies alles ein vollständig tadelloses, korrektes, anständiges Benehmen eines jungen Mädchens und durchaus nichts Erstaunliches dabei. Nun, Konrad?«

aus Papas Junge

Was ist an Friedels Verhalten so unangemessen und empörend? Heutzutage würde sie wohl nicht so anecken.

Friedel Polten ist für damalige Verhältnisse zu wild und laut und zeigt ein Verhalten, das eher den männlichen Jugendlichen zugeschrieben wird.

Sie ist ihrer vorbildlichen Schwester schon äußerlich gar nicht ähnlich, Friedel hat dunkle Haare, Lisa ist blond. Entgegen den typischen Backfischtugenden spielt sie die „wilde Geige“ statt Klavier, ist voller Ideen statt voller Würde und Anstand und Anmut, sie macht Scherenschnitte und zeichnet Karikaturen statt sich mit ernsthafter Malerei oder sinnvollen Handarbeiten zu beschäftigen, sie trägt lieber ihren Radfahranzug statt Ballkleider, sie benutzt Heftpflaster zum schnellen oberflächlichen Ausbessern eines Risses in der Kleidung statt sie mit Liebe stopfen, sie reitet im Herrensattel oder ganz ohne Sattel statt im Damensattel, sie klettert auf Bäume, legt nicht übertrieben viel Wert auf ihr Äußeres, ist spontan, keck und zu Streichen aufgelegt.

Das macht der Tante großen Kummer (»Du bist der Nagel zu meinem Sarge!«). Friedels Schwester (»Arme, kleine Friedel«) schickt daraufhin eine englische Erzieherin, ein Aufenthalt in einem Pensionat folgt (»Den Jungen wollen wir zusammen ausmerzen mit Liebe und Geduld und dem Papa ein lustiges, frisches Mädel dafür heimsenden, was?«), nach der Rückkehr Koch- und Nähstudien daheim, Tanzstunden, eine Reise in die Schweiz und am Schluss die Verlobung. Ja, es klingt also letztlich wie im zuvor aus dem „Frauenleben“ zitierten typischen Ausgang eines Backfischromans: „Umarmung, Kuß, Schluß!“

Aber auf dem Weg zu diesem „Schluß“ gibt Henny Koch uns noch viel mit, sie regt uns an, uns mit vielen anderen Themen zu beschäftigen, mit Literatur, Musik und anderen Ländern.





Veraltete Ausdrücke

Welche Wörter muss man heute erklären?

Neben der alten Frakturschrift machen auch manche veraltete Ausdrücke oder Redewendungen das Lesen zu einer spannenden Herausforderung. Hier ein paar Beispiele:

Die Deutsche Kaiserzeit

Henny Koch ist 16 Jahre alt als am 18. Januar 1871 Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser proklamiert wird und die deutsche Kaiserzeit beginnt.

Ihr Erwachsenwerden, ihre Erziehung, ihr weiteres Leben und ihr Weltbild sind von den sozialen, politischen und kulturellen Bedingungen und Strukturen der Kaiserzeit geprägt.

Sie wächst in einer höheren sozialen Schicht auf. Ihr Vater ist Kaufmann, der Großvater väterlicherseits Leinenfabrikant, und der Großvater mütterlicherseits Stadtgerichtssekretär.

Leben der Kinder in der Kaiserzeit

In der Kaiserzeit hängt das Leben der Kinder stark davon ab, in welche Familie sie geboren werden. Kinder aus wohlhabenden Familien haben Zugang zu Bildung und Freizeitaktivitäten, während Kinder aus ärmeren Familien oft arbeiten müssen.

Schulpflicht

1871 wird die Schulpflicht für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren eingeführt. Der Lehrplan ist stark auf die Vermittlung von Grundkenntnissen in Lesen, Schreiben und Rechnen sowie von patriotischen und militaristischen Werten ausgerichtet.

Erziehungsziele

Die Erziehung ist streng, Disziplin wird großgeschrieben, und es gibt eine klare Trennung der Geschlechter im Unterricht. Gehorsam und Loyalität gegenüber dem Kaiser und dem Staat sind zentrale Erziehungsziele. Kinder lernen früh, den Kaiser zu verehren und militärische Tugenden zu schätzen. Die Erziehung zielt darauf ab, den Kindern eine starke nationale Identität zu vermitteln. Es gibt für die Kinder wenig Raum für Individualität oder Kreativität.

Kaiserzeit, Belle Époque und Edwardian Era

Die Ära, die in Deutschland als Kaiserzeit oder Wilhelminische Ära bezeichnet wird – benannt nach Kaiser Wilhelm II., heißt in Frankreich und Italien „Belle Époque“ (1871-1914) und in Großbritannien „Viktorianische Ära“ (1837-1901), benannt nach Königin Victoria, und anschließend „Edwardianische Ära“ (1901-1914), nach König Edward VII. benannt.

Alle Begriffe beschreiben eine Ära des Fortschritts und der Innovation, eine Zeit geprägt von Frieden, wirtschaftlichem Wachstum und kulturellem Aufschwung. Diese Zeit wird oft nostalgisch als eine Zeit des Wohlstands und der Lebensfreude betrachtet, obwohl sie auch von sozialen Ungleichheiten und politischen Spannungen geprägt gewesen ist.

Am 9. November 1918 endet die deutsche Kaiserzeit mit der Ausrufung der Weimarer Republik. Henny Koch ist 64 Jahre alt.



Was hat sich entwickelt?

Was bleibt?

Meine Beschäftigung mit Henny Koch hat inzwischen so vieles hervorgebracht – all das auf der folgenden Collage Sichtbare – und das Unsichtbare, das Emotionale, die vielen Menschen, die ich durch das Projekt kennengelernt habe, die mir geholfen haben, die meine Begeisterung mitgefühlt und verstanden haben, die besonderen Begegnungen und Erlebnisse. Es macht viel Freude in den inzwischen über 25 Jahren an Erinnerungen zu schwelgen.

Zum Weiterlesen

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Vielen Dank für den Besuch der Online-Ausstellung!

Im deutschsprachigen Raum kann man einige von Henny Kochs Büchern online lesen, beim Projekt Gutenberg, im Ebook-Format:



In- und ausländischen Verlagsanzeigen, Rezensionen u.a. zum Nachlesen:

Verlagsanzeige um 1907

Verlagsanzeige, um 1908

Verlagsanzeige, um 1910

Verlagsanzeige, um 1911

Verlagsanzeige, um 1913

Verlagsanzeige, um 1914

Verlagsanzeige, um 1915

1920

Verlagsanzeige, um 1920

Verlagsanzeige, um 1922

Verlagsanzeige, um 1922

Verlagsanzeige, 1925

Verlagsanzeige, 1925

Verlagsanzeige, 1927

Wiedersehen mit einem Buche. Von Ursula von Wiese. Der Bund, Band 96, Nummer 7, 5. Januar 1945



Verlagsanzeige, Italien

Verlagsanzeige, Norwegen, 1911

Verlagsanzeige, Norwegen

Verlagsanzeige, Norwegen

Verlagsanzeige, Norwegen

Ungarische Verlagsanzeige

Polnische Verlagsanzeige, hier veröffentlichte Henny Koch als "Anna Koch"

Verlagsanzeige, Spanien

Filmankündigung, Schweiz

Filmankündigung, Schweiz

Filmankündigung, Schweiz

1899
Vater Jansens Sonnenschein
1901
Mein Sonnenstrahl
1902
Das Mägdlein aus der Fremde
1904
Rose Maries Weg zum Glück
1905
Papas Junge
1905
Die Traut
1906
Mütterchen Sylvia
1907
Irrwisch
1907
Allerlei Lustiges für unsere Buben und Mädels (Sammelband mit Erzählungen)
1908
Aus großer Zeit
1908
Die ins Leben lachen (Sammelband mit Erzählungen)
1909
Friedel Polten und ihre Rangen
1910
Kleine Geschichten für kleine Leute (Sammelband mit Erzählungen)
1911
Evchen der Eigensinn
1911
Das Komteßchen
1913
Im Lande der Blumen
1914
Ein tapferes Mädchen
1916
Die Vollrads in Südwest
1916
Die Patentochter des alten Fritz
1916
Wildes Lorle
1917
Die verborgene Handschrift
1917
Aus sonnigen Tagen (Sammelband mit Erzählungen)
1919
Klein Großchen
1921
Glory
1922
Von der Lach-Els und anderen (Sammelband mit Erzählungen)
1922
Jungfer Ursel. Eine Erzählung aus dem 30-jährigen Krieg
1924
Das Heiterlein
1925
Hochgeborene (Sammelband mit 4 Erzählungen)
1930
Wir fünf. Wie Ilse zum Wandervogel bekehrt wurde (Sammelband mit 2 Erzählungen)